Augustins Antwort auf aktuelle Probleme: Weisheit statt Gier

Hier wird aufgrund einer Vorlesung über Augustin erneut wieder deutlich gemacht, wie es für alle anfänglichen Denker bei Christus um die der menschlichen Gier und Kurzsicht entgegengestellte in natürlicher Schöpfung begründete Vernunft, Weisheit ging. Auch wenn die kulturgerecht-menschliche Ausdrucksweise des Heilswesen „Jesus“ verteidigt wurde, war die Weisheit das Thema. Denn auch für die kirchlichen Neuplatoniker, wie dem aus dem Manichäismus kommenden Augustin, für die die menschliche Person (Rolle, Aufgabe) des Heilswesens „Jesus“ ganz und gar kein Scheinwesen war, ging es um die in Schöpfung begründete Weisheit. Diese wird heute meist in Ökologie begründet, dort von Benedikt XVI. als Grund des Rechtes zu bedenken geben. Die Weisheit, die in der Antike nicht nur für hellenistische Juden galt, dort als bereits den Propheten maßgebende Bestimmung (Wort) verstanden wurde, wird heute auch als „Ökologie des Menschen“, „Weltvernunft“ oder „evolutionärer Humanismus“ weitgehend vergeblich gepredigt. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob wir davon ausgehen, dass am Anfang ein religionsrebellischer Handwerksbursche als Christus verherrlicht wurde. Oder ob an den Hochschulen eine Weisheit als gemeinsame Kulturbestimmend bedacht wird, die im Grunde Thema aller großen Weltreligionen, der verschiedenen Glaubensbücher, wie Gründergestalten ist. 

In diesem Sinne nehme ich im Namen Augustins dann auch Stellung zur Situation nach neuzeitlicher Aufklärung. Die Christus zum jungen Mann machte und inzwischen selbst als ethisches Vorbild abgeschrieben hat. Denn auch wenn mir bei der Vorlesung über die Kirche des 19. Jahrhunderts, die Versuche christlicher Denker Antworten auf die Aufklärung oder Industrialisierung mit allen sozialen Problemen durch den Kopf ging „was träumst du von einer Weltvernunft und Weisheit, wenn doch der christliche Glaube als Lösung völlig utopisch, untauglich geworden ist“. Augustin gibt aus seiner Sicht des Christus als Vernunft/Weisheit, wie sie ähnlich in allen Religionen dem menschlichen Ego und der kurzsichtigen Gier entgegengestellt werden soll, Antwort auf aktuellen Fragen und Probleme der Zeit.

Sehr geehrter Herr Professor Löhr, sehr geehrte Herr Professoren Strohm,

sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen Augustins, der sich in „De civitate Dei“ über den Gottesstaat und damit auch das schöpferische Handeln in der Geschichte Gedanken machte, erlaube ich mir die Vorlesungen über die frühe Kirche, wie die des 19. Jahrhunderts zusammenzudenken. So von der anfänglichen Sicht des historischen Christus als einer heute wieder weitgehend offensichtlichen, natürlichen Weisheit aus erneut Anstoß zu geben, den historischen Jesus Christus in neuer Weise zu hinterfragen.

Gerade Ihnen als historischen Theologen und Experten für die frühe Geschichte ist doch klar, dass es den anfänglichen Denkern nicht darum ging, die Sekte eines von seinen Anhängern als Christus verherrlichten Handwerksburschen für Bildungsbürger apologetisch zurechtzubiegen, wie das die heutige Historien-Hypothese unterstellen muss.

Vorweg eine Berichtigung der Zukunfts-Geschichte von einer im natürlichen Sein/Sinn begründeten Weisheit als christlichen Wesen und bisher in nationalen Büchern gelesenes Gotteswort:

Nachdem ich Werke von Christoph Markschies, u.a. „Die Gnosis“ wieder zur Hand nahm. Wo er einen Überblick über die gesamten in Wissen und Erkenntnis der Zeitenwende begründeten vielfältigen Denkmodelle darlegte, die im christlichen Glauben, dann der Kirche weitergedacht wurden. Da habe ich die Ihnen am Anfang des Jahres überlassene Geschichte umgeschrieben. In der Zukunfts-Geschichte, bei der die heute in Ökologie oder kultureller Evolution, somit dem Sinn des Ganzen begründete Weisheit als historisches christliches Wesen und kulturelle Grenzen überschreitendes lebendiges Gotteswort erklärt wurde, waren jetzt Geschichtswissenschaftler am Werk (sind vielmehr hierzu aufgerufen). Nicht von Neutestamentlern, sondern Heidelberger Geschichtstheologen ist der Anstoß ausgegangen, die Vernunft und Weisheit in menschlicher Heilsgestalt „Jesus“ in aufgeklärter Weise an den Anfang zu stellen.

Und Benedikt XVI. hat in der Zukunfts-Geschichte zwar im Auftrag von Franziskus von katholischer Seite aus die neue Sicht bestätigt. Bei der die Weisheit, in der die Päpste bereits das rechte Verhalten und Recht bedachten, auch als das bereits in Jesus Christus aus Ausdruck gebrachte lebendige schöpferische Wort, damit eine gemeinsame Weltbestimmung sei. Aber die Ansprache haben Geschichtstheologen gehalten. Der von ihnen als Sprecher der evangelischen Wissenschaft ausgewählte Christoph Markschies brauchte dafür keine neue Rede zu schreiben. Er hat nur aus  seinen Bücher zitiert. Vorwiegend aus dem Büchlein der Reihe Beck Wissen (=Gnosis). Wo er „Die Gnosis“ als Grundlage der christlichen Weisheit „Christus“ in ihren vielfältigen Anfänge bestens beschrieb, beispielsweise in Bezug auf Professor Löhr auch auf Basilides einging. Der seine internationale Christologie- und Weisheitslehre so wenig wie Augustin in einem jungen Galiläer, sondern in Wissen und Erkenntnis der Zeit begründete.

Er hat dort von einer an Rationalität orientierten Kultur gesprochen. Bei der in den verschiedensten, auch dualistisch begründeten oder alle Materien verabscheuenden Weltmodellen der Sinn/Grund allen Seins in unterschiedlicher Weise bedachten, so verschiedenartige Lebensmodelle in Weisheit entworfen und sich dabei auf Christus bezogen wurde. Dass es in der Kirche, die die vielfältigen christlich-philosophischen Versuchen weiterdachte, dann zum Volkskult machte, um den ging, den er in Dokumentarfilmen als besonders bibelschlauen Handwerksburschen vorstellte, war nach der Heidelberger Initiative seiner geschichtswissenschaftlichen Kollegen endgültig unhaltbar geworden.

Nicht allein die Weisheitslehren des hellenistischen Judentums, dessen Christologie die meist auf Alexandrien kommenden kirchlichen Vordenker, damit später auch Augustin folgte, ließen sich so nicht erklären. Sämtliche in seinem Buch aufgelisteten Zeitzeigen, wie sie inzwischen nicht mehr nur durch die anfängliche kirchliche Kritik, sondern auch Textfunden (wie Qumran, Nag Hammadie, koptische Schriften)  bekannt waren, hatten deutlich gemacht: Der in den verschiedenen philosophischen Modellen bedachte Sinne des Seins, der in abweichenden Namen beschrieben, auch der sich auf den jüdischen JHWH beziehenden kirchlichen Weisheitslehre zugrunde lag, ließ sich mit dem, was inzwischen als historischen Jesus galt, nicht mehr machen. Dass ein junger Handwerksbursche als der damals vielfältig bedachte weltbestimmende Sinn/Grund allen Seins (neuer Gott) gesehen oder ausgegeben wurde, was der inhaltlichen Ernsthaftigkeit, Begründung des christlichen Glaubens den Hals gebrochen hatte. Das war nun endgültig als eine auch wissenschaftlich halsbrecherische, unhaltbare Hypothese entlarvt.

Selbst den Namen, den das Heilswesen des neuen Bundes/Testamentes im hellenistischen Judentum hatte und die mögliche Herkunft Jesus Christus aus Nazareth, der Erkenntnis, für die Nassener standen, konnte er aus seinem Buch vorlesen. Denn der biblische Jesus, auf den sich nicht allein die kirchlichen Vordenker, sondern auch die in deren Augen die Erkenntnis zu Unrecht oder falsch umsetzende Denker beriefen, wurde nun nicht mehr zugunsten einer philosophischen Logos-Spekulation oder oder Weisheitslehre abgestritten. Der biblische Jesus war jetzt als Christus oder neu Thora erwiesen. Und dass es in den bewusst komponierten biblischen Texten um die Heilsgeschichte der in Natur-/Vernunftlehren (Logos) begründete Weisheit als Christus, so den wahren Menschen- oder Gottessohn, Kyrios und die künftige Basileia in menschlicher Ausdrucksweise ging, nicht um den als historisch unterstellten Handwerksburschen, hatten auch die Neutestamentler längst klar gemacht.

Auch die immer besser aufgearbeitete Diskussionen, die die Vordenker der Kirche mit den sich in ihren Augen zu Unrecht auf Wissen/Erkenntnis beziehenden Denkweisen führten, hatten Licht in Anfänge gebracht. So sprach nun auch niemand mehr davon, dass es bei Gnosis (Wissen, Erkenntnis) nur um philosophische Sekten ging, die die damaligen Weltreligionen auf einen Nenner bringen wollten. Wo nun klar war, wie die gesamte antike Philosophie nicht anderes als Gnosis (Umsetzung von Wissen, Erkenntnis) war. Und wo sich zeigte, wie das das gesamte Wissen der antiken Welt verarbeitende hellenistische Judentum, so einen neuen Bund/Verstand schöpferischer Bestimmung (Wort) begründete. Und nachdem offensichtlich war, wie hier nicht nur die Christologie entstand, sondern auch die neutestamentlichen Christus-Geschichten. Da war nun auch klar geworden, wie die Kirche ein Weiterdenken der philosophischen Erkenntnis und Weisheit war. Denn wie sich zeigte, wurde für die heilige Weisheit nicht nur die Kirche aus Stein (Hagia Sophia) gebaut. Auch der allumfassende (katholische) Kult, wie er in der heißt umstritten Trinität definiert wurde, war eine kulturgerechte, dem Westen entsprechende Umsetzung der Weisheit „Christus“. So lag die universale Bedeutung des zum bibelschlauen Handwerksburschen degradierten christlichen Glaubensgrundes auf dem Tisch.

Ebenso hatte die immer besser aufgearbeitete heißen Diskussion über das Wesen Christus bewiesen: Wo Markschies vormals seiner buchstäblich-kindlichen Vorstellung zuliebe das selbst freigelegte Wissen vergewaltigend unterstellt hatte, dass es zumindest in der Kirche um einen besonders schriftgelehrten Handwerksburschen aus Galiläa als Gott ging, kam der bedeutungslos gewordene junge Mann nicht vor. So war nun klar: Die im Logos=Sohn (damit antiken Weltmodellen) begründete Weisheit musste im Westen in einer menschlichen Heilsgestalt „Jesus“ vermittelt werden. Und nicht umgekehrt.

Wie die Weisheit in der kulturgerechten, volksverständlichen Ausdrucksweise der Heilsgestalt „Jesus“ mit Haut und Haaren beileibe kein Scheinwesen war, wie die oft alle Materien verneinenden Doketisten unterstellten, lässt sich in der Geschichte beobachten. Wie daher dualistische Modelle und abgehobene Philosophien sowie auch christliche Weisheitslehren für Eingeweihte nicht taugten, allein der Weg der Kirche die kulturelle Wende bewirkten konnte, war von den Heidelberger Geschichtswissenschaftlern bereits vorher deutlich gemacht worden.

Den in philosophischer Ratio begründeten christlichen Modellen, beispielsweise der Valtentianer, sich auf Simon-Magnus beziehenden Lehren, wie den Markionisten und Basilides oder ebenso dem die Weisheitsmodelle der Welt integrierende persische Manichäismus eine Begründung ihrer  Christus-Weisheit im natürlichen „Sinn“ zuzubilligen. Dann aber beispielsweise einem Augustin, der nach dem allegorischen Verstand des Alten Testamentes das philosophische Konzept wechselte, unterstellen zu müssen, er wäre dabei zu einem Neuplatonismus seine ägyptischen Heimat mit einem Handwerksburschen als neuen Gott übergelaufen. Das hatte sich immer mehr als Wahnsinn erwiesen.

So hatte das historische Wissen, gemeinsam mit der neuzeitlichen Exegese dazu geführt, die christliche Religion wieder auf vernünftige Beine zu stellen. Damit die von aller aufgeklärten Welt weitgehend vergeblich geforderte, auf einen gemeinsamen Sinn schließende Weltvernunft oder Weisheit zur grenzüberschreitenden kulturellen Bestimmung zu erklären. Damit genau zu der Bestimmung, die bisher nur in nationalen Büchern gelesen, aus den eigenen Glaubensgründern abgeleitet wurde.

Wenn hier vom Gottesstaat des Augustin die Brücke zur Neuzeit geschlagen wird, gleichwohl derzeit die Religion dafür nicht zuständig gesehen wird, außer warmen Worten (einer nun auch in der Kirche gehaltenden Weltvernunftspredigt) keine Antworten mehr auf die Fragen der Zeit geben werden können. Weil nach naturwissenschaftlicher Aufklärung der Sohn „Christus“ mit dem Vater abgeschrieben ist. Dann ist die kulturelle Aufklärung, wie sie durch das heutige Wissen geben und unumgänglich ist, dafür die Voraussetzung. Denn es macht einen ganz gewaltigen Unterschied, ob sich die christliche Religion Moral predigend auf Buchstaben und einen Guru als Gott beruft. Oder ob sie mündige Menschen in Verant-wort-ung für die Weisheit begeistert, nach der alle aufgekärte Welt weit vergeblich ruft.

1.      Der Gottesstatt als Leben in schöpferischer Vernunft/Weisheit

Es erübrigt sich erneut wieder deutliche zu machen, dass entsprechend der Herkunft und seiner dann kirchlichen Zuwendung für Augustin (wie für alle anfänglichen Denker) die in Schöpfung begründete Vernunft, damit die von einem menschlich unbestimmbaren Sinn/Grund des Ganzen (JHWH) ausgehende jüdische Weisheit als „Christus“ das Thema war. Und wie daher kein nur so verherrlichter Heilsprediger oder egal wie gestrickter galiläischer Weisheitslehrer in den Texten des Neuen Testamentes gelesen wurde.

Allein die Ausführen Augustins über den Gottesstaat machen dies deutlich. Wo er in einer umfassenden Welt- und Heilsgeschichte eine bis ins Mittelalter einflussreiche Christus- damit Weisheitslehre als wahre Vernunft der Macht der menschlichen Gier und Kurzsicht, damit des menschlich Bösen entgegenstellte. Da ging es nicht um eine Handwerksburschen-Herrlichkeit. Wie das bei heutiger Lehr-Hypothese vom historischen Jesus letztlich unterstellt werden muss.

Wer nach der schockierenden Erfahrung der Plünderung Roms durch die Westgoten und folgenden Vorwürfen gegenüber den Christen, für den Niedergang des römischen Reiches verantwortlich zu sein, den Rom groß machenden Naturvergottungen die vernünftige schöpferische Wirklichkeit als Maß für menschliches Handeln entgegenstellte. Für dessen umfassende Abhandlungen war Christus keine Handwerksburschen-Verherrlichung oder ein apologetisches nur als Logos=Sohn ausgegebenes Konstrukt.

Wo der irdische Staat in seiner Rechtsform bedacht, ihm Christus, statt die bisher staatstragenden Gottheiten (deren Verweigerung nun nicht mehr als Staatsgefährdung galt) zur Seite gestellt wurde. Da ging es mit Sicherheit nicht um das, was heute als historisch unterstellt wird.  Auch ohne auf die philosophischen Ausführungen Augustins über die schöpferische Vernunft/Sinnhaftigkeit (griechisch Logos, jüdisch Weisheit „Christus“) als nun staatstragend einzugehen, ist klar: Hier ging es um keine Handwerksburschen-Verherrlichung oder die Lehren dessen, der  heute als besonders bibelschlau gelehrt wird.

Was Augustin in seinem „Gottesstaat“ bedachte, kann nur die Weisheit gewesen sein, die bereits Philo, damit das hellenistisch-christologische Judentum, auf das sich die katholischen Denker beriefen, in einer Josefs-Geschichte für eine Demokratie der Vernunft dem römischen Staat vorschlug.

Auch ohne auf die Texte Augustins im Einzelnen eingehen zu müssen, wodurch das noch deutlicher würde. Wer sich nach dem persischen Manichäismus als weltumfassenden Weisheitskonzept dem katholischen Neuplatonismus zuwandte. Wer nach allegorischem Verstand das Alte Testament nun nicht mehr ablehnte, sondern sich so wie die kirchlichen Denker dem neuen Christen-Judentum des Hellenismus anschloss. Wer hierzu umfassende Auseinandersetzungen mit den anderen Denkweisen und Kultformen über einen in Vernunft (Logos/Weisheit) begründeten christlichen Gottesstaat ausformulierte. Und wer dabei den Mehrwert des Christus gegenüber den Vegetations- oder sonstigen Herrlichkeiten begründete, in denen die kulturelle, wie kosmische Kreativität oder Sonnenkraft verehrt wurde. Der ist unmöglich nur einer Verherrlichungslehre für einen Handwerksburschen oder einem apologetischen Konstrukt auf den Leim gegangen und hat dann einen jüdischen Weisheitslehrer als Logos/Vernunft der menschlichen Sünde entgegengestellt. Noch absurder wird dies, wenn man bedenkt, wie die römische Philosophie, in der Augustin ausgebildet war (nicht nur Cicero), bereits in Zeus/Jupiter den in Vernunft begründeten Sinn des Ganzen als Vater aller alten Gottessöhne verehrte.  

Wer aber auch auf die weiter den alten Gottheiten treue Philosophie der Antike antwortet. Wer den Kontrast zwischen Stoa, Epikureismus und der Seelenwanderungslehre Platons herstellte. Wer die Hoffnungen jenseitiger Seligkeit des Platonismus kritisierte und sagte, dass die Philosophen mit ihren Sozialutopien trotzt ihres Streites für die Wahrheit den wahren Weg nicht finden. Der ist dem Modell gefolgt, das bereits das hellenistische Judentum dem römischen Staat vorschlug und das auch Konstantin als zukunftstauglich für einen umfassenden Frieden erkannte, dafür eine Kirche baute. Da wurde die Kirche der allumfassenden Sophia/Weisheit gebaut, die Vernunft in Kultur bringen sollte. Da ging es nicht um einen besonders schriftegelehrten Handwerksburschen, der sich das Lesen selbst beigebracht haben müsste.

In den Büchern über den Zusammenhang von Heil und Geschichte, die den Überblick von der Schöpfung bis zum letzten Gericht geben, ging Augustin nicht von einem Handwerksburschen aus Galiläa, sondern dem hellenistischen Judentum gegebene Heil „Jesus“ aus. (Auch wenn sicherlich der Name bei ihm noch nicht zu lesen war.) Ein Jesus, der dem Heidenland kam und so auf dem Weg von Galiläa nach Jerusalem war, wo er auch von römischer Autorität verurteilt und das bewirkte, was in den Evangelien bebildert ist. Mann sollte die Werke Augustins selbst lesen. Wo auf umfassende religionsphilosophisch Weise den alten Gottheiten „Christus“ gegenübergestellt und sich mit anderen philosophischen, dabei auch mit der Kirche konkurrierenden christlichen Denkweisen auseinandergesetzt wurde. Da ist es ein schlechter Witz, hier einen Wanderprediger oder als Christus verherrlichten Weisheitslehrer als den der Bibel (gar bereits dem Alten Testament) zugrunde liegenden historischen Jesus unterstellen zu wollen. Doch genau das macht die heutige Hypothese notwendig.

2.      Der ewige Kampf zwischen Kain und Abel, Gier und Vernunft

Während bei buchstäblicher Bibellese, ähnlich wie bei den neutestamentlichen Jesusgeschichten (oder der Suche nach dem Urgrund, der Arche, wo der Spiegel bei Funden von Schiffsteilen titelt „Hat die Bibel doch Recht“) auch die Kinder von Adam und Eva als historische Brüder betrachtet werden. Da hat Augustin bereits im bildhaften Verstand zwei Personengruppen oder besser, zwei jedem Menschen innenwohnende Prinzipien gesehen. Das ihn beschäftigende Problem „Gerechtigkeit und Sünde“ hat er dabei in einer philosophischen Weise betrachtet, nach der man alles, was im Netz von meist evangelikalen Organisationen über Kain und Abel zu finden ist und viel von Gottesgehorsam gesprochen wird, schnell einstampfen müsste.

-Jeder Mensch ist Kain, mehr oder weniger von Egoismus gesteuert, materialistisch, kurzsichtig.

-Und nicht nur Christen sind Abel: Viele Menschen fragen nach dem Sinn, wollen ein schöpferisch gerechtes, vernünftiges Leben führen. In Zeiten des als Sinn des Ganzen abgeschriebenen Grundes allen Seins (JHWH) einfach von „Gottesliebe“ oder „Gottesgehorsam“ zu sprechen, wird dem Neuplatoniker so wenig gerecht, wie bei Kain und Abel auf buchstäbliche Weise die Kinder eines ersten Ehepaares zu sehen.

Doch die Frage des Philosophen, welche religiösen oder denkerischen Konzepte der Zeit tauglich waren, um in diesem ewigen Kampf den Menschen zur Vernunft zu bringen, sind aktuell geblieben. Gerade weil sie nichts mit den Lehren eines Handwerksburschen zu tun haben, der heute an den Anfang des christlichen Glaubens gestellt wird. Der jungen Mann, der heute keine Antwort mehr geben kann, nach den heißen, ewigen Diskussionen über das Wesen des Logos und Weisheit  nun auch Augustin von den Studenten unterstellt werden muss. Der war weder in einer der anfänglichen Bewegungen und Diskussionen um das Wesen des Logos/Sohnes das Thema. Noch war der Thema der vom Christus handelnden biblischen Texte oder der bei Paulus und Augustin nachzulesenden Weisheits-Theologie. Der kommt weder in der christlichen Geschichte, noch den Geschichten vor. Der erweist sich als Kurz-schluss von Halbaufklärung.

Denn wer sich durchaus positiv mit dem Friedensreich Roms auseinandersetzte (ganz anders, wie mir als Kind der heilspredigende Rebell gegen die römische Obrigkeit beigebracht wurde), stellte die Frage nach dem Recht: Reiche ohne in Schöpfung begründetes Recht waren für ihn Räuberbanden. Ähnlich, wie in „Verfassung ohne Grund“ bei Benedikt XVI., der vor dem Bundestag das Recht in Ökologielehre zu bedenken gab. Wobei Augustin bei der Frage nach dem Grund des Rechtes  das römische Reich nicht ins Abseits stellte. War doch die griechische Natur-/Vernunftlehre oder jüdische Weisheit, auf die sich auch der Platoniker auf dem Papststuhl in seiner letzten großen Rede über das Recht bezog, auch Thema der den alten Gottheiten treuen Philosophen im römischen Senat.

Wenn aber der antike Neuplatoniker die traditionellen Gottheiten der Römer ebenso verwarf, wie rein abstrakte Philosophie-Utopie und Jenseitshoffnungen. Dann war seine Lösung mit Sicherheit kein junger Mann mit zufälligem Namen Jesus, der als Christus ausgegeben wurde. Vielmehr ist heute offensichtlich, was Grund der von der Kirche in allumfassender Weise weitergeführten Christologie war, die hellenistische Juden aus der Natur-/Sinnlehren (Logos) ihrer Zeit ableiteten. Worin sie ihren neuen Bund/Verstand schöpferischer Bestimmung als bereits den frühen Philosophen/Propheten geltende Wortes/inzwischen erstarrtes Gesetz sahen und dabei vom wahren Sohn und Christus sprachen. Der für sie in Folge Moses das Heil im Sinne Josua, lat. Jesus war.

Denn mit dem jungen Mann, den die Studenten auch bei Augustin im Kopf haben, hat dessen Rechtslehre so wenig zu tun, wie die schöpferische Vernunft als christliches Wesen, die Benedikt XVI. vor dem Bundestag in Ökologielehre zu bedenken gab. Wo der Neuplatoniker von „Christus“ sprach,  muss die in Natur-, Vernunft-, Sinnlehre (Logos) begründete Weisheit bedacht werden. Die zwar auch bei Philosophen galt, im jüdisch-christlichen Konzept jedoch statt alter Gottheiten Kultstatus hatte und damit eine tiefgreifende Volksbestimmung brachte. Was so weit mehr als allein philosophische Weisheitspredigt und Mithras-Mysterien oder Kaiserkult der menschlichen Gier entgegenwirkte.

Doch was nutzt es zu wissen, dass Augustin im römischen Staat nicht den Feind der Vernunft sah, nur das bessere Konzept  zu dessen Verwirklichung begründete und wie diese Lehre dann auch bei Luther ihre Spuren hinterließ. Wenn statt die in Naturlehre begründete Weisheit dann nur eine Handwerksburschenverherrlichung den Verstand verbaut, wird verhindert, heute nicht nur im Namen Christus Antworten auf die Fragen der Zeit geben zu können.

3.      Die systematische Theologie als Trinität: Verhältnis der Vernunft/Weisheit zu ihrem Grund

Die 15 Bücher „De Trinitate“, das philosophische Hauptwerk über die Einheit und Gleichheit der drei schöpferischen Personen, kann man bei heutiger Historien-Hypohtese auf den Misthaufen der Geschichte werfen. Wenn man einen jungen Mann an den Anfang stellt, nicht die sichtbare, in der Antike nicht mehr im Mythos, sondern in Vernunft erklärte schöpferische Wirklichkeit (Logos) und so begründete Weisheit als eine der Personen bedenkt. Dann wundert es nicht, wenn nicht nur Augustin, sondern die ganze anfängliche Denkweise selbst von den Theologen nicht mehr ernst genommen wird. Wenn dann in der modernen Dogmatik/Gotteslehre zwar Augustin vorgestellt, dann aber schnell die gesamte anfängliche Philosophie verworfen und  eine für das Verhalten nicht relevante letzte Hoffnung als einzig noch verbleibende christliche Relevanz vermittelt wird.

Die Beziehung zu einem in neuplatonischer Theologie geltenden Sinn allen Seins, der schöpferischen Wirklichkeit in der Welt mit ihrem Grund, über die Augustin immer wieder neu nachdachte, in Retractationes dann auch revidierte, kann man bei heutiger Hypothese vergessen. Wo der in antiken Äonen- bzw. philosophischen Welterklärungsmodellen beschriebene Sohn, der mit dem Vater identisch und doch verschieden gesehen wurde, von den Studenten als ein bibelschlauer Handwerksbursche gesehen wird. Da ist nicht allein die Lehre über Augustin pure Steuerverschwendung.

So wäre auch sein Handbüchlein „Enchiridion“ vom Glauben, von der Hoffnung, von der Liebe als zusammenfassende Darstellung seine Lehre schnell als frommes Glaubensgeschwätz abzutun. Wenn man nicht Dank moderner Technik mit einem Klick nachlesen könnte, dass es hier um die Weisheit ging, die als reine Wissensanhäufung allerdings nur Torheit bleibt. Weil nicht der in Weisheit offensichtliche Grund/Sinn allen Seins in Vernunftüberzeugung als maßgebend verehrt wird, sondern abgeschriebene menschliche Gottheiten. Oder in deren Ersatz dann beispielsweise der Konsum, das kurzsichtige Vergnügen, die menschliche Gier vergöttert und so vergeblich Verzicht, Weisheit und Weltvernunft gepredigt wird.

4.      Auseinandersetzung mit christlichen Philosophien über die wahre Weisheit/Vernunft

Denn auch die Auseinandersetzung Augustins mit anderen christlichen Lehren macht mehr als deutlich, dass es am Anfang nicht um das ging, was heute unterstellt wird.

Auch mit Blick auf seine Herkunft aus dem Manichäismus sind die Überlegungen zum Sündenverständnis das Thema. Und so wird von Augustin die allegorische Auslegung, die er bei Ambrosius gelernt hat (der der Christologie Alexandriens:  Philo, Origenes oder Athanasius folgte), damit das richtige Verständnis der Genesis, dem „Wortlaut“ gegenübergestellt. Auch das erscheint heute nicht nur mit Blick auf die Kritiker, die die Bibel in ihrer Polemik oft weit wörtlicher nehmen als die heutige Lehre, sondern auch auf das neutestamentliche Verständnis mehr als aktuell. Denn wenn Augustin in Moses nur einen wundertätigen Vielschreiber gesehen hätte, der beim Bergsteigen Tontafeln fand, ähnlich wie Jesus heute verkürzt wird. Wenn er nicht auf bildhafte Weise verstanden, die frühe Philosophie der Propheten erkannt hätte, die der Thora, wie den alten Geschichten zugrunde liegt. Da wäre er mit Sicherheit dem Christus des Manichäismus treu geblieben.

Die umfassenden Werke, in denen sich Augustin mit dem vormals von ihm wegen seiner philosophisch-christlichen Brillanz von ihm bevorzugten Manichäismus in großer philosophischer Rhetorik auseinandersetzte, machen mehr als deutlich. Dort, wie in der neuplatonischen Kirche und deren Kanon, war die im hellenistischen Judentum geltende Weisheit als Christus das Thema. Wonach Augustin in „Contra Faustum“ (gegenüber einem christlich-manichäischen Bischof, der die christlich-persische Philosophie als Alternative zu alten Gottesbildern und Geschichten vertritt) die bildhaft zu verstehenden alttestamentlichen Gestalten verteidigt.

Und so ist auch seine Verteidigung der menschlichen Ausdrucksweise Christus, damit der Weisheit zu verstehen. Denn dass er nicht die Menschheit eines jungen Mann mit Namen Jesus verteidigt, wie er den Studenten vor Augen steht, und den die Manichäer nur als Schein sehen würden, dürfte klar sein. Der bildhafte Verstand der Schriften hat ihn bewegt, sich statt dem doketistischen Christus des Manichäismus dem Neuplatonismus der Kirchen und seiner kulturgerechten Ausdrucksweise anzuschließen. Der dann später mit Haut und Haaren, in seiner menschlichen, im Volk verständliche Ausdrucksweise, bei-leibe kein Scheinleib war.

So hat der Neuplatoniker dann auch hinsichtlich der scheinbaren Gegensätze von Welt/Materie und Geist, wie sie der Dualismus des Manichäismus vertrat, argumentiert. Der Mensch lebt in der Welt/Materie, einem Leib und kann diesen nicht verneinen oder als schlecht verleugnen, sondern muss ihm gerecht werden, aber der schöpferischen Vernunft unterstellen. Doch der Augustin geltende Christus ist heute zum heiligen Schein geworden, wenn nicht nach der Vernunft/Weisheit gefragt wird, die der Denker  dem freien Willen zur Hand gab.

Wer in „De liberto arbitrio“ in einer solch umfassender Weise über den freien Willen nachdachte, dass er heute auch als Erfinder des freien Willens bezeichnet wird. Wer dabei die aus den biblischen Texten entstehenden Wirren und Verirrungen thematisierte, auf die sich auch neuzeitliche Reformer, wie Erasmus von Rotterdam bezogen. Wer dann auf die Unterstellung von zwei schöpferischen Prinzipien antwortet, dass es nur einen Grund allen Seins gäbe. Wer davon ausging, dass dem Menschen daher die Vernunft und Weisheit gegeben wäre, unter deren Herrschaft er die zur Tyrannei führende Gier, Begierde und Leiden-schaft stellen müsse. Wer dabei das Materielle nicht in übertriebender Weise abwertete, wie seine Gesprächspartner. Der macht auch klar, dass es beim biblischen Christus, auf den er sich bezog, um die alles Werden umfassende schöpferische Vernunft und Weisheit (in menschlicher Person: Rolle, Aufgabe) geht.

Auch wenn die menschliche Ausdrucksweise des Logos, der Weisheit betont wird, wie dies bereits bei Irenäus oder antiochenischen Schule und Tertullian vertreten wurde. Gerade bei Augustin wird deutlich, dass die heutige Unterstellung ein Unding ist. Wenn beispielsweise Christoph Markschies auch den Valentianern, Manichäern oder anderen von der auf einen allumfassenden Volkskult ausgerichteten Kirche als sich zu Unrecht auf christliche Erkenntnis/Wissen (Gnosis) berufenden Bewegungen philosophische Weisheit zugesteht. Dann kann er nicht den philosophischen Denkern der Kirche, wie sie nun auch bei Augustin deutlich werden, Wissen um den Sinn allen Seins abstreiten, um seinen bibelschlauen Handwerksburschen zu halten.

Mit Augustin sind die heutigen Hypothesen von der Verherrlichung eines Zimmermannsjungen so wenig zu machen, wie mit auch nur einem der kirchlichen Vordenker. Nur dass dies hier, selbst wenn ein Teil der Texte erst im Mittelalter entstanden wäre, wie Kritiker unterstellen, noch deutlicher wird. Auch beim Jesus Christus der Kirche und des Kanons geht es um die von einem Sinn allen Seins ausgehende Weisheit als dann neuen Tempel und Thora selbst. Der heute unterstelle tempelrebellische, besonders schriftgelehrte Handwerksburschen, dem dann antike Weisheiten als Gotteswort in den Mund gelegt wurden, kommt weder in Geschichte, noch biblischen Geschichten vor. Nachdem heute klar ist, was als Christus galt und damit auch die Heilswirklichkeit „Jesus“ war, die in menschlich-kulturgerechter Weise zur Welt gebracht wurde, damit höchste kreativ und kein Scheinwesen war. Da gibt es für den belanglos gewordenen jungen Mann kein einziges historisch-wissenschaftliches Argument mehr.

Der Christus der Kirche kann nach heutigem Wissen nur dort gesucht werden, wo der Kosmos der neue Tempel war, im neuen Bund/Verstand die universale Weisheit die Gesetzlichkeit Beschnittener  ablöste, damit die Thora auf neue Beine stellte und so als Wort und Sohn verstanden wurde. Was so in Folge Moses als Heil im Sinne Josua, lat. Jesus lebendig war. Oder anders: Wo heute von Weltvernunft oder ökologischer Weisheit gesprochen und daher von einem Sinn ausgegangen wird, der nicht menschlich zu bestimmen ist und dem freien Menschen und dessen Konsum- als Wirtschaftswachstum verherrlichender Kurzsicht und Gier entgegenzustellen ist. Da hat Augustin mit einem neuen Christus-Weisheitskult, der über die philosophische Moralpredigt, die alten griechischen Gottheiten, wie die jüdische Gesetzeshörigkeit hinausging, bereits die Antwort gegeben.

5.      Einheit aus Weisheit

Auch die Werke, bei denen Augustin gegen sich abspaltenden Kirchen, wie die Donatisten schreibt, machen deutlich: Hier ist ein Denker, ähnlich wie bereits Konstantin, um die Einheit der Kirche bemüht. Und so sind aber auch die Anfänge oder Konstantins Bau einer einheitlichen Kirche der heiligen Weisheit in neuer Weise zu bedenken.

Wer heute das ganz Nordafrika bestimmende frühe Schisma verdeutlicht, bei dem in allen großen Orten Gegenbischöfe aufgestellt waren. Weil die Donatisten die Sakramente der katholischen Bischöfe nicht anerkannten. Denen Unstandhaftigkeit in der Christenverfolgung Diokletians vorgeworfen und Märtyrer verherrlicht wurden. Der muss auch den für einen neuen Volkskult ein Staatskonzept nach Einheit suchenden Konstantin, der sich bereits mit diesem Schisma auseinanderzusetzen hatte und dies nicht verhindern konnte, in neuer Weise bedenken. Die märchenhaften Darstellungen der Bekehrung eines siegreichen Kaisers, bei denen die Kritiker dann unterstellen, Konstantin hätte sich nur die (noch nicht vorhandene Kirche) zu Nutze gemacht, gehören dem Gestern an. Bei allem, was wir über die Zeit Konstantins auch von Augustin wissen, ist es Wahnsinn, dass sich der bisher kosmosfromme Denker nun der Gottheit eines galiläischen Handwerksburschen als Christus angeschlossen haben und die heißen Diskussionen über diesen Guru als Logos=Sohn (in Wesenseinheit oder -gleichheit mit dem Vater) geleitet haben soll.  

Man muss auch Ihre Vorlesung über den in Vernunft/Weisheit regierenden Diokletian bedenken. Der dem Volk gerecht werden und die christlichen Atheisten (die in seinen Augen die philosophische Mischform Serapis als Christus verehren) verfolgen musste. Dann kann der Herr, den die Donatisten durch die katholischen, sich Diokletians Forderung nach einem Kaisergebet beugenden Bischöfe verleugnet sahen, keine heute unterstellte Handwerksburschen-Herrlichkeit gewesen sein. Der ist auch mit dem als Sachwalter kosmischer Sonnenordnung geltende Konstantin, dem Bildung heilig war und der für den Christuskult den Bau der Kirche der heiligen Weisheit begann, nicht zu machen.

Wo im Sakramentsstreit um die Einheit der Ekklesia eine inhaltliche Auseinandersetzung stattfand. Und wo mit Blick auf die in der Verfolgung der den alten Göttern die Ehre erweisenden Christen argumentiert wurde, dass neben der Paulus, Petrus, selbst die Judastaufe Gültigkeit habe. Da ging es nicht um die Anhänger eines Handwerksburschen, den einer seiner Freunde verriet und die anderen zum Messias machten.

Wenn die Frontstellungen aufgehoben wurden, der Geist der Liebe nach Einheit, statt Scheidung verlangte, sprach Weisheit, war keine Wanderprediger-Herrlichkeit. Auch wenn Augustin das Jesus-Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen aufgriff, Abspaltung, Abgrenzungen oder vorschnelles Ausreißen verurteilte. Da ist der philosophische Denker nicht den schlauen Sprüchen gefolgt, die aus dem Mund eines jungen Galiläer kamen oder hineingelegt wurden. Hier hat schöpferische Weisheit „Christus“ auch im Neuen Testament gesprochen.

Und im gleichen Sinne kann dann auch nur die „cogita intrare“, die Nötigung der Donatisten, wieder in die allumfassende Kirche einzutreten, gesehen werden. Bei der sich Augustin auf das Lukasgleichnis vom Abendmahl bezog, zu dem die Geladenen nicht erschienen. Auch was hier an einen kaiserlichen Kommissar wie Marcellinus gerichtet ist, wirft Licht auf die Anfänge: Da ging es um die Weisheit schöpferischer Einheit. Da wurden so auch die bis zur Hinrichtung der Donatisten reichende Gewalt der kaiserlichen Bekehrung als notwendiges Übel bedacht. Vom Glaube an die Gottheit eines altruistischen Gurus aus Galiläa ist bei der Verteidigung der gewaltigen Auseinandersetzung in der Kirche, die folgenreich ist, für manche Forscher bis zur Entstehung des Islam führt, nichts zu sehen. Was dort dann aus dem Mund eines Propheten sprach, war die Weisheit, die bei Augustin und der allumfassenden Kirche des Westens das Kreuz der Gottessöhne trug, im Westen auf diese Weise zur Welt gebracht werden musste.

Auch in den antipelagianischen Werken, die auf einen Bischof antworten, der den asketischen, weltverneinenden Lebensstil als einziges Heil sah, während Augustin der Gier die Vernunft und Weisheit in Nächstenliebe, Gemeinsinn entgegenstellte. Da ist die heute zu unterstellende Heilsprediger-Herrlichkeit weder bei dem christlich-römischen Philosophen Pelagius, noch in der katholischen Kirche zu halten. (Was zu den unterschiedlichen Lebensmodellen führte, wie sie in den Mönchsbewegungen des Westen, ähnlich den verschiedenen philosophischen Richtungen oder den Weltreligionen zu beobachten sind, kann nicht auf einen jungen Guru zurückgeführt werden. Wie es hier um die unterschiedliche Interpretation der Sinnlehre/Weisheit ging, war im letzten Beitrag das Thema.)

In Augustin spricht eine umfassende Religionsphilosophie, wie wir sie aus dem hellenistischen Judentum kennen, bei Philo nachlesen können. Wo die bereit in der Menschwerdung begründete Sünde, die menschlichen Verirrungen und Fehlverhalten nicht als Fehler der Natur gesehen, sondern auf einen umfassenden Sinn schließen ließen, für den die menschliche Vernunft zum Ein-satz kommen muss. Da war Christus nicht das, was heute als Verherrlichung eines Handwerksburschen unterstellt und abgeschrieben wird. Auch wenn „Jesus“, das im hellenistischen Judentum gegebene Heil (einer nun in natürlicher Schöpfung begründeten Weisheit als bestimmendes Wort) an der Achse der Zeit im Erbe der traditionellen Gottesbilder das Kreuz einer menschlich-kulturgerechten Ausdrucksweise zu tragen hatte. Womit auch die menschliche Ausprägung Jesus Christus kein doketistisches Scheinwesen, sondern schöpferisch-kreative Wirklichkeit in menschlicher Kultur war. Wo sich das anfängliche Denken auf einen biblischen Christus bezog, muss es nach allem was wir wissen, um eine in natürlicher Schöpfung, Sinnhaftigkeit begründete Vernunft und Weisheit gegangen sein. Und die ist erst heute wieder offensichtlich. Nur wenn nicht weiter ein junger Mann an den Anfang gestellt, sondern wieder eine in Ökologie oder auch kultureller Evolution begründete Sinnhaftigkeit und Weisheit als „Christus“ bedacht wird, sind Antworten auf die Probleme der Neuzeit und mehr noch die gewaltigen heutigen Herausforderungen zu geben. Was über die gegenwärtige menschliche Moralpredigt, der Forderung einer „Ökologie des Menschen“ oder „Weltvernunft“ hinausgehet.

6.      Wie Jesus von der Gottverlassenheit des 19. Jahrhunderts befreien kann

Wie am Anfang deutlich gemacht, kann durch ein neues Verständnis des historischen Jesus die in diesem Namen ausgedrückte Heilsgeschichte weitergeführt werden. Die allseits geforderte ökologische Weisheit oder Weltvernunft verweist auf ihren Grund/Sinn. Was in einem neuen kulturellen Verständnis weit tiefer greift, kulturbestimmender ist, als alle grün-rote, so auch in der Kirche gehaltende Predigt und heutige Proteste. Und wie auch in der Zukunfts-Geschichte beschrieben, sind so in christlicher Religion Antworten auf die Fragen der Zeit zu geben, wie sie im 19. Jahrhundert vergeblich gesucht, dann meist die christliche Religion verworfen wurde.

Gleichwohl mit der Aufklärung Christus weitgehend abgeschrieben war, Nietzsche den Gottestod analysierte und beklagte, war im 19. Jahrhundert die ethische Ausprägung des christlichen Denkens Grund für ein vielseitiges Sozialwesen noch gegeben. Was von den Sozialgesetzen Bismarks, vom Pietismus geprägter preußischer Verantworung, bis zu den umfassenden christlichen Bestrebungen für das Armen-, Diakonissenwesen, die Kinder- und selbst Gefangenenversorung der „Inneren Mission“ reichte.

Wie aber die alten Antworten nach neuzeitliche Aufklärung nicht mehr reichten, wird in der Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts mehr als deutlich. Der evangelisch soziale Kongress konnte so nur auf naive Weise das Christentum den atheistisch, agnostischen sozialen Bewegungen oder dem völlig säkularen Marxismus entgegenstellen.

Auch wo für Friedrich Naumann der biblische Jesus noch ein Vorbild für ein Lebensmodell war, nach dem er nicht mehr aß, wie die Armen, das Eigentum im Dienst der Allgemeinheit sah. Da entstanden in Visionen von neuer christlicher Religion dann später national-soziale Bewegungen, die die Weltmachtrolle Deutschlands untermauerten. Auch die Mehrheit der „Deutschen Christen“ leistete theologische Abstützung für die später in einer angeblich gottgewollten Schöpfungsordnung begründete nationalsozialistische Rassenlehre, eine deutsch-nationale soziale Idee, die dann mit der  NSDAP zum Weltkrieg und Massenmord führte.

Was wäre uns auch im kommunistischen Fehlversuch, Gemeinsinn politisch planwirtschaftlich zu verordnen, dann dem Stalinismus und der Mauer, um Genossen im Paradies zu halten, erspart geblieben, wenn bereits Marx erkannt hätte, welche in Gemeinsinn begründete Weisheit hinter dem christlichen Wesen steht? Doch alles hat seine Zeit, die heute gegeben ist.

Als sich Max Weber oder Friedrich Naumann noch vom christlichen Jesusbild leiten ließen, so christlich-sozialethische Lebensmodelle den säkularen Sozialismus entgegenstellten, war an die heute in Ökologie oder kultureller Evolution begründete Weisheit, gar als Christus, noch nicht zu denken. Nicht die Begeisterung für einen gemeinsamen natürlichen Sinn, so eine über das Selbst hinausgehende Weisheit als schöpferische Verant-wort-ung, sondern der Egoismus, Kapitalismus wurde so auch von christlichen Denkern wie Weber als Motor in freiheitlichen System der Zukunft bedacht.  Bezeichnend erscheint, dass Friedrich Naumann auf seinen Reisen, die ihn auch nach Palästina führten, vor Augen geführt wurde, wie das deutsche Jesus-Verständnis mit der dortigen Realität nicht zu machen war.

Doch wie auch die anfängliche Sozialethik oder das zu Lebensweisen in Kommunen führende christliche Verständnis nicht von einem Nächstenliebe predigenden jungen Mann, sondern einer Weisheit ausging, die sich in einem grenzübergreifenden gemeinsamen Sinn begründete. Das war dort, wo „zwischen den Zeiten“ im Sozialdarwinismus noch nationale Sozialethik aus Christus abgeleitet wurde, die Frage ökologischer Weisheit und so gemeinsamer weltgültiger Verantwortung noch keine Rolle spielte, kaum denkbar.

Oder anders: Von einem Holocaust-Überlebenden David Levin lese ich gerade die Aussage „Es gibt keinen Gott“. Es ist der übliche Kurzschluss von Theodizee, die nicht nach der bereits in David zum Ausdruck gebrachten, in Schöpfung begründeten Weisheit und ihrem Sinn/Grund (JHWH) fragt, sondern nach einem in die Geschichte eingreifenden menschen-artigen Gott und den dann verneint. Und dies, während viele Deutsche Christen in der arischen Rasse die gottgewollte Schöpfungsordnung sahen und die Juden eh für den Tötung ihres Christus-Gottes verantwortlich machten. 

Doch diese Zeiten sind „Gott sein Dank“ um. Die weltweit allen Menschen maßgebende Weisheit der Schöpfung, die auf einen umfassenden Sinn/Grund verweist, wird heute in Ökologie oder Evolution erklärt. Wenn wir daher in aufgeklärter Weise nach der Weisheit gefragt wird, die auch Augustin galt, sind die Voraussetzungen geschaffen, das bisher nur in nationalen Glaubensbüchern (christlich weitgehend unbedeutend gewordene) und damit aus eigenen Glaubensgründern abgeleitete Gotteswort in Gegenwart zu verstehen. Hier muss daher nicht die „Zukunft-Geschichte“ wieder aufgerollt werden. Doch wenn an den Hochschulen nicht weiter ein junger Mann vermittelt wird, bei dem dann zum Abschluss der Vorlesung der künftige Pfarrer fragte, warum Petrus seinen Freund, von dem er doch wusste, dass er das nicht wollte, zum Christus machte. Wenn hier die weltgültige Weisheit bedacht wird, nach der heute vielfach vergeblich gerufen wird. Dann sind die wissenschaftlichen Voraussetzungen geschaffen, damit die nicht nur grün-rot, sondern inzwischen auch in der Kirche gepredigte Weisheit, Weltvernunft zu einer tiefgreifenden gemeinsamen Kulturbestimmung mündiger Menschen werden kann.