.5. Loci communes, Philipp Melanchthon, Prof. Ehmann

Die Zeit, das den nationalen Schriften zugrunde liegende Wort, den Wille Gottes wieder in Ordnung, Sinn der Natur wahrzunehmen, zur kulturelle Grenzen übersteigenden gemeinsamen Gesinnung werden zu lassen, ist reif. 

Die Vorlesung über den vom griechischen Geist der Antike begeisterten Denker an der Seite Martin Luthers, die Auseinandersetzung mit seinen 1521 verfassten Loci communes ("allgemeine Grundbegriffe“, so erste evangelische Dogmatik) gibt Einblick, warum die scholastische Philosophie verworfen, die antiken Schriften im Sola scriptura zur einzigen Autorität wurden.

So wird deutlich, warum das Wort, der Wille Gottes heute nur in der Bibel, ähnlich Koran, nicht in der Herrlichkeit, Ordnung, Sinnhaftigkeit der Natur, so schöpferischer Realität gelesen wird, sich die Wege von Naturwissenschaft und Glaube trennten. Womit auch Christus als verherrlichter Guru angenommen, aber weiter als Grund christlichen Glaubens gilt. Und sich ähnlich auch in anderen Religionen auf nationale Schriften, Buchstaben, Gründer, nicht auf den gemeinsamen Sinn aller Natur, Seins berufen wird. Womit ein Leben in ökologischer Ordnung als einer auch das Sozialverhalten umfassenden „Ökologie des Menschen“ nicht als Reich, Wille Gottes im gemeinsamen Sinn aller Welt bedacht wird, Gott abgeschrieben, wissenschaftlich tot erklärt, Glaube an was auch immer, sinnlos geworden ist.

Doch der natürliche, so philosophische Grund Christus war für den Universalgelehrten Melanchthon noch gegeben, stand für ihn als himmlische Weisung außer Frage. Für den auch naturwissenschaftlich gebildeten theologischen Denker war die ihm wissenschaftlich geltende Weisheit auch die von Gott geoffenbarte himmlische Weisheit. Die über ihre wissenschaftliche Anwendung für irdische Dinge im Alltag theologisch auch in seiner umfassenden Begründung des christlichen Kultes, dessen Sakramente maßgebend war. Wissenschaft wurde von Melanchthon nicht verworfen, sondern wie auch in der Zeitenwende von hellenistischen Juden und pagan-christlichen Philosophen weitergedacht. Was auch Zitate von ihm zeigen:

Ich bin ganz und gar der Meinung, dass wer in geistigen und weltlichen Dingen etwas unternehmen will, sehr wenig ausrichten wird, wenn er nicht zuvor seinen Geist in den humanen Wissenschaften, so nämlich bezeichne ich die Philosophie, umsichtig und reich geübt hat…

Wir wollen uns gesagt sein lassen, dass Theologie kein Wissenszweiglein ist, wie die übrigen Wissenschaften, die doch nur den Wert in irdischen Dingen haben, sondern von Gott geoffenbarte Weisheit.

Doch diese Offenbarung kam für Denker wie Melanchthon nicht in nächtlichen Träumen, sondern war theologisches Weiterdenken des gegebenen Wissens. Für Humanisten, theologische Philosophen wie Melanchthon war wie für visionäre Philosophen der Hebräer und ihnen folgende Hellenisten die alle Wissenschaft der Zeit umfassende Weisheit identisch mit dem Wille Gottes, der Weisheit, die den antiken biblischen Schriften zugrunde lag. Die verschrifte Wahrheit war daher für die Reformatoren, die sich gegen den Missbrauch scholastischer Philosophie und die Autorität des Papstes zur Wehr setzten, im die wahre Autorität. So hatte der christliche Glaube, Christus für Kirche, Kaiser, wie für die Reformatoren noch einen natürlichen Grund. Und dieser ist, statt die Geschichte(n) auf den Kopf zu stellen, aufgeklärter Weise zu bedenken.

Wie den vielfältigen Denkern kein Vorwurf zu machen ist, dass die im Neuen Testament verfluchten Buchstaben zum Wort Gottes wurden, sämtliche Reformatoren vielmehr die westliche Kultur vor dem Verfall bewahrten, ist bereits in kirchengeschichtlichen Vorlesungen klar geworden. Ohne die Autorität der Buchstaben der antiken Schriften, ebenso wie die dialektische Auseinandersetzung mit ihnen, hätte es im Westen keine Aufklärung gegeben.

Es muss nicht weiter auf die Loci Melanchthons, den Ablasshandel, für den die scholastische Philosophie missbraucht wurde, eingegangen werden. Die Autorität des Papstes war nicht nur von Luther in Zweifel gezogen, sondern nicht mehr gegeben. Schon früh war die Kirche, der Nachlässe übertragen wurden, der Kapitalherrlichkeit verfallen. So dass der Ablasshandel für den Bau des Petersdomes nur die Spitze war, die das Fass zum Überlaufen brachte. Während es für mich aufgrund des heutigen Wissen fest steht, wie es den geistigen Erbauern der Kirche, den Herausgebern des Kanons, wie den späteren Kaisern um die auch den Philosophen aufgrund Naturlehre (Logos) heilige Weisheit als Christus und Heil ging. Ohne, dass noch nach dem menschlichen  Wesen dieses Jesus gefragt oder am Heiland gezweifelt, die Lehre der Kirche vom Christus in Zweifel gezogen wurde. Da scheint im Mittelalter die Weisheit der Antike im Volkskult völlig in den Hintergrund getreten zu sein, sich allerhand Unsinn, Mysteriöses wieder durchgesetzt zu haben.

Ohne hier weiter forschen zu wollen steht heute fest, wie aus vielfältigen politisch-kulturellen Gründen, die weit über den Verfall der Papstautorität, den Ablasshandel, die Thesen Luthers hinausgingen, die Zeit für eine Reformation gekommen war. Und so die Buchstaben der antiken biblischen Schriften noch als die einzig mögliche Autorität blieben. Während heute das Leben Luthers in den Hintergrund tritt, werden vielfältige politische, wirtschaftliche, kulturelle Gründe, Ereignisse, Entwicklungen der Zeit, Aufklärung in beginnender Neuzeit, wie das Denken vielfältiger Kräfte dargelegt, die zur Reformation führten. Und allein sich die Täuferbewegungen vor Augen zu führen zeigt, warum die Buchstaben der Bibel die Kultur des Westens in die Zukunft tragen mussten.

Doch so wie heute die Reformation in vielfältigen Umständen, Entwicklungen, Ereignissen der Zeit begründet wird. So kann auch die Entstehung des Christentums als eine Reform des Judentums nicht mehr in der Verherrlichung eines heilspredigenden Rabbis angenommen werden, der für Bildungsbürger als Logos, damit als Weisheit nach Naturlehre ausgegeben wurde. Für die Reformatoren war der Christus nach antiker Schrift noch Fakt und so die biblische Lehre maßgebend für das Leben. Wie auch Melanchthons Notiz an einen Apothekerfreund zeigt, schätzte er die hellenistische Weisheit. Dort hat ein Philosoph das neue Heil im Namen Jesus Sirach ausgemalt. Da er in hellenistischer Weisheit die Tora, das Heil seiner philosophischen Väter „Jesus“ verstand. Angeblich soll er so die Eindeutschung der Gottesnamen, Heils- und Christustitel in „Jesus“ begründet haben. Von dem vorher nichts zu lesen war.

Für die in Zeiten der Renaissance von der Antike begeisterten Denker war der neutestamentliche Humanismus, der so bis heute trägt, westlichen Menschenrechten zugrunde liegt (auch wenn die ihre Grundlage verloren haben) das Ideal. Nach einem jungen Mann mit Namen Jesus hat noch keiner der reformatorischen Denker gefragt. An Christus, der nun nur noch als Vision von Heilspredigeranhängern gilt und den mache Theologe aufgrund deutscher Schuld gern zurücknehmen würden, wurde nicht gezweifelt.

Auch noch neuzeitliche Theologen wie Karl Barth wollen von einem Menschen als dem historischen Jesus nichts wissen: „Ich kenne diesen Herrn nicht“. Und auch Benedikt XVI. hielt sich in seinen drei Jesusbüchern unbeirrt des folgeschweren Kurzschlusses der historischen Kritik an den biblischen Christus. Als er von ökologischen Bewegungen sprach, die der Schrei nach frischer Luft wären. Da hat er den Weg gewiesen. In der Herrlichkeit, Sinnhaftigkeit, Weisheit des ökologischen Ganzen ist nicht allein das biblisch beschriebene Wort, Jesus Christus, der Sohn, wie der so offenbare Vater zu bedenken.

Die Zeit hierzu ist reif. Die Buchstaben der Bibel haben keine Autorität mehr. Was bei Evangelikalen und Orthodoxen hinter herauskommt, muss nicht ständig aufgeführt werden. Während der Sinn des ökologischen Ganzen, nach dessen Weisung wir leben müssen, offenbar ist, hat die biblisch-buchstäbliche Gotteslehre ihren Sinn verloren. Und das rechte Leben wird nicht nur von aufgeklärter Welt, sondern Pfarren in Ihren Predigten oder Franziskus in seinen Enzykliken in gegenwärtiger Weisheit nach wissenschaftlicher Naturlehre (Logos) begründet. Jesus Christus wird Erwachsenen inzwischen bereits im Herz-Jesus-Kloster als Sozialrebell beigebracht. Dann von einem alten Pater nicht mehr Christus begründet, sondern nach einem Super-Man ein Spider-Man in voller Pracht an die Wand geworfen. Um getreu heutiger Hochschullehre zu zeigen, was man aus dem seinen Hörern ans Herz gewachsenen, von diesen daher mit aller Gewalt verteidigten guten Jungen versehentlich gemacht hätte.

Aber mehr noch rufen, ähnlich wie zur Zeitwende oder der Reform am Beginn der Neuzeit die politischen Umstände, die gesamte kulturelle, wie gesamte gesellschaftliche Entwicklung, gewachsenes Wissen, künftige Herausforderungen, Krisen, wie Kriege nach kultureller Aufklärung.

Nicht nur für Denker wie Melanchthon war Christus als solches Fakt, damit sein Wort nach den Buchstaben der Bibel als Weisheit der Antike der Maßstab des Lebens. Doch nach den Wirren des Mittelalters, in der unzählige Naturforscher und Philosophen über die Prinzipien der Natur und auch Gott und dessen Wille nach biblisch-buchstäblicher Vorgabe forschten, Engels, Marx oder Lenin dann auf säkulare Weise Gemeinsinn verwirklichen wollten, ist nun der Weg frei. U.a. durch die Forschung in Folge Darwins, wie dem erst seit wenigen Jahren überstandenen sozialdarwinistischen Kurzschluss wissen wir, wie alle Prozesse einen schöpferischen Sinn haben, um Leben weiterzugeben, zu optimieren. Wir wissen auch, wie der auf natürliche Weise für unser Leben maßgebend ist, wir im Sinn der Ökologie wirtschaften, auch sozial in einer „Ökologie des Menschen“ zusammenleben müssen, um Zukunft zu gestalten, Wohlstand in Weltgerechtigkeit zu erhalten. Es wäre daher im Sinn der Reformatoren, nicht weiter oft sinnlose gewordene Autoritäten, Buchstaben zu folgen, sondern die menschliche Bestimmung, das Wort Gottes in der Herrlichkeit der Natur, dem nun als sinnvoll erkannten Geschehen zu buchstabieren.

Gerade an Philipp Melanchthon lässt sich zeigen, wie die Zeit reif ist, das rechte Leben, universale Recht (Wort Gottes und damit Jesus Christus) dort zu begründen, wo wir heute von Ökologie sprechen, so einen gemeinsamen Sinn der Natur, aller Welt voraussetzen. Wenn Melanchthon in seiner Gerichtssprache vom Logos als Gesetz Gottes ausging. Dann hatte er keinen Handwerkerjungen vor Augen, der zum Logos gemacht wurde. Dann war für ihn die Vorgabe durch die natürliche Schöpfung, das Naturgesetz in Christus noch gegeben. Denker wir er hätten nicht nach dem Willen eines Wanderpredigers gefragt, so dessen aramäische Sprache untersucht. Für die war bei Christus noch die Herrlichkeit Gottes in Natur, das Naturgesetzt des Menschen gegeben. In zeitgemäßer „Ökologie des Menschen“, wie sie in seiner Dogmatik zum Ausdruck kommt, war das Recht, die rechte Lebensweise, wie auch die körperliche Unversehrtheit, die Offenbarung, Verehrung Gottes im Kult, wie das 1. Gebot als Grundlage aller Gebote begründet.

Auch sein Bezug auf Platon und die Philosophie antiker Zeitenwende wie Cicero zeigt, dass er zwar den scholastischen Missbrauch durch die Kirche vermeiden wollte, aber in der Schrift die philosophische Weisheit am Werk sah, keinen damit verherrlichten Weisheitslehrer. Das Recht kam für ihn aus dem Naturgesetz Gottes, durch den Gutes geboten und Falsches verworfen war. Genau wie es nun das Oberhaupt der katholischen Kirche als dessen Kenner in seiner Rechtsrede vor dem Bundestag zu bedenken gab. Benedikt VI. hat dabei in Bezug auf Salomo und Stoa nicht mehr vom Logos, sondern zu Recht von ökologischen Bewegungen gesprochen, die der Schrei nach frischer Luft seien.

Denn wie die Ökologie, damit der ihr zugrunde liegende Sinn aller Welt die rechte Lebensweise, damit das, was auch in sozialen Beziehungen als „Ökologie des Menschen“ geboten wäre, vorgibt, ist offensichtlich. Auch wie wir erlösungsbedürftig sind, allein der gute Wille, Wollen nicht reicht, ist offensichtlich.

In einer vielfach in Un-Ordnung geratenen Welt, in der Affen, in denen nicht nur alte Gene stecken, aufgrund Masse und technischer Möglichkeiten als naturbeherrschender Anthropozän voneinander abhängen. Da ist die Zeit für kulturelle Aufklärung gekommen. Nur so kann Weisheit, die heute im Sinn der Ökologie als Voraussetzung für gemeinsames Wohl und Zukunft begründet wird, zur gemeinsamen Bestimmung, Motivation von aufgeklärten Weltbürgern, Herrschaft einer neuen Weltordnung im gemeinsamen Sinn werden. Denn wenn Neurologen zeigen, wie wir ein neues Menschbild benötigen, weil nicht Bewusstsein, Verstand, Wissen, Wollen Krone des Menschen sind, über unser Tun entscheiden, sondern oft unbewusste, in evolutionärer Prägung, Kindheit oder von Kultur vorgegebene, damit jedoch auch fehlführende Herrlichkeiten, Motive, Begierden. Dann genügt es nicht, werkgerecht nach neuen Gesetzen oder nur einem neuen Bewusstsein zu rufen, an den Verstand zu appellieren, die Vernunft der Menschen zu beschwören. Weisheit im Sinn der Natur, aller Welt muss zur global bestimmenden Gesinnung, Geisteshaltung egal in welchen Namen zum wahren Herrn, Gesalbten „Christus“, so Motivation der Menschen werden. Und wenn es dafür keinen Nürnberger Trichter oder neue Techniken gibt, sind die Konzepte und Techniken gefragt, mit der alle alten Kulturen arbeiteten.

Doch Voraussetzung dafür ist kulturelle Aufklärung nicht allein über das christliche Wesen durch die Hochschulwissenschaft. Während anfänglich mythische Konzepte, bei Städtebildung, systematischem Ackerbau und erstem Geldhandel durchdachte Weltreligionen Weisheit zur Welt bringen mussten. So restaurierte Gottessöhne, wie Gottkaiser Gemeinsinn nach kosmischer Ordnung (Weisheit) zur Gesinnung machen mussten, Friede bewirken sollten. Da fällt nun, wo der Verbrauch an jährlich nachwachsenden Ressourcen im August erreicht ist, selbst Geisteswissenschaftlern nichts anderes mehr ein, als dass Politiker mit nationalen Gesetzen, wie Geldgeschenken (Konsumanreizen) ein ressourcenschonenderes, ökologisch gerechtes Verhalten bewirken, so die globalen Probleme der Zukunft lösen müssen.

Hat die Welt den Geist völlig aufgegeben?

Es kann doch nicht sein, dass wegen der wissenschaftlich unhaltbar gewordenen Vorstellung, ein nationaler Held wäre zu Christus, Gott auf Erden geworden, kein Geisteswissenschaftlicher Kult-Konzepte bedenkt, durch die zur Voraussetzung für Zukunft und gemeinsames Wohl gewordenen, so von aufgeklärten Menschen gewollte, zur verhaltensbestimmenden Gesinnung, wie der von kultur-aufgeklärter Gläubigen aller Welt werden kann?